„Wie bekomme ich eine interessante Stimme?“ Das ist eine Frage, die mir oft gestellt wird. Nicht nur in Bezug auf reden, Präsentationen oder Hörbuchsprechen.

Dazu mache ich meistens drei Vorschläge.

Vorschlag 1: Viel Rauchen und viel Saufen – möglichst Hochprozentiges und unbedingt über mehrere Jahre hinweg. Risiken und Nebenwirkungen einer Alkohol- und Nikotinsucht inbegriffen.

Vorschlag 2: Operieren: früher nutzten manche Sänger die Möglichkeit, sich durch einen phonochirurgischen Eingriff die Stimmbänder aufzurauen, um sich rasch und ohne die hässlichen Begleiterscheinungen von Vorschlag eins einen bluesigen,verlebten Sound in die Stimme zu schummeln. Ob sich heutzutage noch ein Phoniater für einen solchen Eingriff findet, ist fragwürdig. Eine minimale Verletzung der Stimmlippen durch solch eine Operation hat eine minimale Vernarbung derselben zufolge. Diese wiederum beeinflusst die Schwingungsfähigkeit derselben und damit die Qualität des Klanges. Außerdem mag eine heisere/raue Stimme interessant klingen – wenn man nichts zu sagen hat, dürfte dieser Klang allein niemanden fesseln.

Vorschlag 3: Abgesehen davon, dass ich natürlich dringend von Vorschlag 1 und 2 abrate, kommen wir nun zu Vorschlag drei. Er lautet schlicht: wer eine interessante Stimme haben will, sollte es wagen, ein interessantes Leben zu führen. Und Stimmtraining kann dabei enorm unterstützen. Ob ich das ernst meine? Na klar!

Wann immer du dich im Leben langweilst, stelle dir die Frage, ob du die Wahl hast, das zu ändern. Wann immer es gilt, anderen Sichtweisen zu begegnen, das Leben zu hinterfragen, die Komfortzone zu verlassen, etwas Neues zu wagen, deine Chance zu nutzen: tu es. Das Leben schenkt dir dafür abertausend Gelegenheiten. Es sorgt für Abwechslung und Herausforderungen – darauf ist Verlass. Stelle Fragen: was möchte ich wirklich sagen, ist es mitteilenswert?

Stimme ist viel mehr als nur Tönen. Es hat mit der ganzen Erfahrung der Sinnlichkeit zu tun. Um also eine interessante Stimme zu bekommen, sollte man riechen, schnuppern, lauschen, betrachten und beobachten. Fühle, taste, und schmecke alles was dir begegnet, und nehme deine eigenen Gefühle dabei bewusst wahr. Nimm dir Zeit dafür, sonst bleibt alles Erleben an der Oberfläche. Wer sein Essen hinunterschlingt, kann die einzelnen Aromen, die Konsistenz der Speisen, das Geräusch und Gefühl beim Lutschen, Beißen, Schlecken, die Lust an der Nahrungsaufnahme und die befriedigende Sattheit etc. nicht wahrnehmen. Und ja, richtig erahnt: mit dem Handy ist das nicht möglich.

Sprechen ist ein durch und durch sinnlicher Akt!

Übe deine Imaginationsfähigkeit – sie hält deine kreativen Impulse geschmeidig. Übe dich in Hingabe. Überrasche dich selbst. Lass dich überraschen.

Welche Stimmen findest du interessant? Was zeichnet diese aus, was sagen sie über die Menschen aus? Ist es nur die Stimme oder auch die Wortwahl, die dich anspricht? Tempo, Dynamik, Sprechmelodie? Wem hörst du gerne zu? Ist es ein Langweiler? Vermutlich nicht. Aber auch eine sehr ruhige Sprechstimme kann interessant sein. Warum eigentlich?

Ich bin davon überzeugt, dass ein Mensch, der wirklich etwas zu sagen hat und die Wahrheit sucht, Gehör findet. Und wenn das Leben sich mit allen Hochs und Tiefs, mit echten sinnlichen Eindrücken, mit gelebten Erfahrungen- den Erfreulichen und Unerfreulichen – den bestandenen und nicht bestandenen Mutproben in die Stimme einschreiben darf, wird sie so interessant sein wie ein Gesicht, das durch wache Augen, Falten und Farben vom Leben erzählt. Persönlich. Unverwechselbar. Sei inspiriert und lass dich inspirieren.

Stimmtraining kann viele Impulse dazu geben. In einem geschützten Raum kannst du dich differenzierter wahrnehmen, kannst mutig Impulse zulassen und lernen Gefühle über den freien Atem und die freie Stimme auszudrücken. Du lernst, Stimme und Sprechen zu verkörpern und spürst: die Stimme, das ist kein Instrument dass sich mit Instant-Lösungen aufpolieren lässt – sondern, deine Stimme, das bist du. Kein Wunder, dass das Wort “Persönlichkeit” vom lateinischen „personare“ stammt- und das bedeutet „durchtönen”.

Foto von Åaker auf Unsplash

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