Ein exzellenter Musiker spielt in der Regel auf einem exzellenten Instrument. Ohne jahrelanges Üben, ohne eine sichere Technik nutzt allerdings das wertvollste Instrument nicht viel. Und ein exzellenter Musiker kann nur sein, wer im Moment des Auftritts alles vergessen kann, um sich ganz dem Ausdruck der Musik hinzugeben.

Ohne Instrument kann ein Musiker sich nicht ausdrücken. Wie ist das aber bei uns Schauspielern? Welches ist unser Instrument und wie lernen wir darauf zu spielen?

Die international anerkannte Stimmexpertin und meine langjährige Lehrerin Kristin Linklater spricht vom „Quartett des Schauspielers“, bestehend aus Körper, Stimme, Gedanken und Gefühl. Schauen wir uns das doch mal genauer an und denken wir dabei an eine Geige.

Unser Körper sollte durchlässig für Impulse zu sein, geschmeidig und in der Lage, eine dem Ausdruck angemessene Spannung zu erzeugen und nicht in permanenter Über- oder Unterspannung zu sein. Dies wäre gleichbedeutend mit den Saiten der Geige – zu straff gespannt reißen sie schnell, zu schlaff bekommen wir keinen Ton zustande. Je besser ich mein Instrument kenne und weiß, was es zu seiner Pflege braucht, desto schöner wird es klingen. Lasse ich die Geige draußen im Regen liegen, ziehe unpassende Saiten auf, fiedle ich mit Druck und ohne Lust und lasse den Holzwurm einziehen, bekomme ich die Quittung. Und ohne Körperbewusstsein gibt es nur groben Ausdruck.
Schwingungen setzen sich in einem wohlgespannten Körper fort und vermehren sich – so bekommen wir Resonanz.

Unsere Stimme haben wir einfach so in die Wiege gelegt bekommen. Sie kann, wenn sie nicht von Konventionen klein gemacht und in ihrem Ausdruck beschnitten wird, mit einem Umfang von bis zu vier Oktaven alle Gefühle menschlichen Seins ausdrücken – mühelos. Davon können wir uns auf jedem Kinderspielplatz überzeugen.

Die Stimme vermittelt unsere Gefühle durch den Atem, der unser Innerstes in die Welt bringt und über die Berührung der Stimmlippen hörbar macht, wie ein Bogen, der über die Saiten streicht. Eine freie Stimme können wir jederzeit wieder erlangen und damit nicht nur schönes Getöne aus unserem Mund heraus kommt, sollten wir uns daran erinnern, dass das Bedürfnis, etwas auszudrücken, grundlegend für die Aktivität der Stimmlippen ist.
Wenn ich keine Lust habe, zu musizieren, sollte ich die Geige entweder liegen lassen oder die Unlust mitteilen – ersteres quält und langweilt, letzteres kann durchaus interessant und hörenswert sein.

Zugang zu unseren Gefühlen, der Mut, diese auch zu zeigen und die Bereitschaft, sie mitzuteilen, sind grundlegend für lebendiges, ausdrucksvolles Sprechen.

Als Schauspieler können und müssen wir unsere Vorstellungskraft trainieren und bewusst spüren, ob wir wirklich etwas mitzuteilen haben und was wir von uns zeigen. Welche Gedanken hindern mich daran? Sind meine Impulse echt oder aufgesetzt?

Will ich „schön“ geigen oder wirklich berühren? Kann ich mich einlassen auf mein Innerstes, auf die Regie, auf den Spielpartner? Bin ich zu einem echten Dialog fähig? Um in „guter Stimmung“ zu sein, müssen wir immer wieder neu hören, spüren und loslassen.

Klare Gedanken schaffen eine klare Artikulation.

Und wie schaffe ich es, klar zu denken?. Wenn ich mir meiner Gedanken bewusst bin, hat das Auswirkungen auf mein Sprechen. Wenn ich Mozart nicht kenne, macht es keinen Sinn, Mozart zu spielen. Wenn mir die Striche und Punkte auf dem Notenblatt nichts sagen, sollte ich das Blatt weglegen oder Noten lernen.

Für Schauspieler bedeutet das einerseits, einen Text intellektuell zu erfassen, Unklarheiten anzusprechen, manchmal Worte zu ersetzen oder einen Satz umzustellen etc., aber auch die Intention der Figur zu kennen. Und es ist bedeutsam, die eigenen Gedankenmuster zu erkennen („bestimmt hören die wieder meinen ’s‘-Fehler“ etc.) und zu durchbrechen.

Körper, Stimme, Gedanken und Gefühl: Nur wenn alle beteiligten Bereiche gleichwertig aktiv und beweglich sind, können wir persönlich und ausdrucksvoll klingen und andere Menschen im Herzen berühren.

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Foto: Xingchen Yan / Unsplash

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