Es ist naheliegend und angesichts immer weniger gut bezahlter Jobs auch verlockend:
Schauspieler*innen drängen auf den Sprechermarkt.
Schauspieler*innen haben in aller Regel eine Sprechausbildung absolviert – und damit die Grundlagen fürs Mikrofonsprechen erworben. “Sprecher/Sprecherin” ist kein geschützter Begriff, jeder darf sich so nennen. Ein Studium zum professionellen Sprecher/Sprecherin (Bachelor/Master) kann am „Institut für Sprechkunst und Kommunikationspädagogik“ an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart absolviert werden. Oder an der Martin-Luther Universität in Halle.
Viele Sprecher*innen sind allerdings Quereinsteiger – sie haben sich als Schauspieler oder Journalistin durch entsprechende Schulungen weiter qualifiziert, in privaten Unterricht oder Fortbildungen investiert, die es mittlerweile zahlreich und in unterschiedlicher Qualität auf dem Markt gibt. Wer sich für privaten Unterricht oder Weiterbildungen interessiert, sollte genau hinschauen, Absolventen befragen und sicherstellen, dass genügend Zeit für die Einzelarbeit bleibt.
Sprecher*innen müssen mit ihrer Stimme überzeugen.
Eine ausdrucksvolle Stimme und klare Artikulation sind Voraussetzung für die meisten Jobs am Mikrofon. Die deutschen Ausspracheregeln sollten beherrscht werden, auch wenn es nicht immer wichtig ist, sie zu bedienen. Schauspieler*innen sollten sich darüber klar sein, ein ebenso umkämpftes Feld wie Film/Fernsehen oder Theater zu betreten. Der Sprechermarkt ist groß und unübersichtlich. Viele bieten ihre Dienste im Internet an, auf Sprecherportalen wie beispielsweise “bodalgo” oder auf der eigenen Internetseite. Sie nutzen die mittlerweile günstige Möglichkeit, ihr Sprechen über das Internet („musictaxi“) direkt an ihre Kunden zu schicken. Eine Sprecherkabine in der eigenen Wohnung einzurichten, ist heutzutage für relativ wenig Geld realisierbar.
Mögliche Bereiche für professionelles Sprechen am Mikrofon sind beispielsweise
Synchron, Hörspiel, Hörbuch, Voice Over, Werbung, Audioguides, Computerspiele/Games, Lernsoftware oder Imagefilme.Viele sprechen für Rundfunk oder Fernsehen. Die Bereiche Hörbuch, Hörspiel und Synchron sind für Schauspieler natürlich besonders interessant.
Im Synchron führt der klassische Einstieg über “Menge/Masse”. Das heißt, Sprechen mit anderen zusammen, zum Beispiel für eine Hintergrundkulisse auf einer Party. Wer sich bewährt, kann die nächste Stufe erklimmen und wird für kleine Rollen gebucht, z.B. in Serien und kann dann mit viel Glück zu einer Hauptrolle aufsteigen. Wer im Studio seinen eigenen Disponenten hat, steht auf einer guten Stufe der Erfolgsleiter. „Vitamin B“ spielt selbstverständlich auch in dieser Branche neben einer guten Leistung und gutem Benehmen eine entscheidende Rolle.
Schauspieler im Synchron brauchen ein gutes Nervenkostüm und die Bereitschaft, auf ein Signal hin prompt das gewünschte Sprechen zu liefern. Eigene Angebote werden oft zugunsten einer “Synchronästhetik” abgelehnt. Das kann ganz schön frustrieren. Der Applaus bleibt ohnehin aus.
Wer im Synchron nicht die geforderte Leistung liefert, wird schnell ersetzt.
Für Neueinsteiger*innen lohnt es sich dehalb, die rein technischen Abläufe zu üben, um Sicherheit zu gewinnen und sich an den Timecode und andere Anforderungen zu gewöhnen. Ohne Schauspielausbildung stehen die Chancen auf einen Synchronjob schlecht – Nichtschauspieler sind schnell überfordert, wenn es um schnelle Haltungswechsel geht. Regisseure fragen deshalb gezielt nach Schauspielausbildung, bzw. -erfahrung.
Wer sich für Synchron interessiert, sollte außerdem lernen, die Ohren zu spitzen. Stimmen analysieren, beschreiben, vergleichen – differenziert hinhören. Welche Stimmen finde ich interessant – und warum? Und zum Beispiel einige Stimmen im Original mit den deutschen Synchronstimmen vergleichen. Welche Stimmen sind derzeit erfolgreich, gefragt auf dem Markt?Bruce Willis Stimme klingt im Original beispielsweise viel zarter als die deutsche, raubeinige Macho-Variante. Julia Roberts hingegen deutlich “dreckiger” und lange nicht so süß.
Bezahlt wird übrigens lange nicht mehr so gut wie früher. Dennoch kann das Synchronsprechen eine lukrative Einnahmequelle für Schauspieler*innen sein. Stete Verfügbarkeit und kurzfristiges Einspringen werden vorausgesetzt.
Ein kleiner Tipp für Synchronsprecher*innen, die nach längerer Zeit am Mikrofon wieder vor die Kamera wollen: kleine und größere Macken, die im Dunkeln keinen interessiert haben, wie z.B. Augenbrauen hochziehen oder anderes Grimassieren, spielen jetzt wieder eine wichtige Rolle. Die Kamera bringt es an den Tag, also einen Coach suchen oder sich selbst aufnehmen und am Feedback lernen. Wer allerdings im Laufe der Zeit seinen Klang und die Verbundenheit mit der eigenen Stimme vergessen hat, sollte handeln und zurück zur eigenen Quelle finden.
Sprecher sollten ihr Instrument pflegen und mit regelmäßigem Training Atem, Stimme, Körper, Geist und Seele bereit und geschmeidig erhalten für die besonderen Anforderungen, Stress und Leistungsdruck, dem sie im Sprecheralltag ausgesetzt sind.
Foto: Steven Erixon / Unsplash